Wenn Hersteller die Gebrauchtwagenpreise bestimmen
Auf der Suche nach einem modernen sportlichen viersitzigen Cabrio mit optionaler Anhängerkupplung wird man bei Jaguar, Maserati oder Land Rover nicht fündig. Deshalb wählt man eine der bekannten Gebrauchtwagen-Plattformen und beginnt mit der Suche. Audi A3, A4 und A5, BMW 3er und 4er sowie Mercedes bieten sich an. Überrascht stellt man fest, dass von 105 Mercedes C 63 Cabrios nur drei Stück privat verkauft werden. Und von 111 Mercedes C43 Cabrios nur ein Auto privat. Der Grund ist recht einfach. Die Autos sind maximal 15 Monate alt (gibt es noch nicht lange auf den Markt) und privat wird der Wagen aufgrund der kurzen Dauer noch nicht verkauft. Es fällt jedoch auf, dass die Gebrauchtwagenpreise im Durchschnitt 27 bis 32 Prozent unter der unverbindlichen Preisempfehlung liegen.
Mercedes selbst verkauft vier Arten von Autos. Vorführwagen, Mitarbeiter-Jahreswagen, Mietwagen und Geschäftswagen. Nach kurzer Übersicht bemerkt man, viele Autos wurden fast alle aus der gleichen Position im gleichen Raum fotografiert. Und erhält auf Rückfrage die Antwort, dass es sich hier um ein internes Mercedes System handelt, bei dem die Händler vor allem Geschäftswagen, Mietwagen und Mitarbeiterwagen kaufen können. Die Fotos werden übernommen und in Mobile gestellt. Der Händler kauft das Auto wie im „Online Shop“ vom Hersteller fotografiert und übernimmt die Daten in das Gebrauchtwagen-Portal. Aufgrund einer neuer Preismanagement-Richtlinie kümmert sich, vor allem auch bei den eigenen Niederlassungen die Zentrale selbst um die Preise. Dies bedeutet, die Niederlassungen legen in großen Teilen die Preise der gebrauchten Wagen nicht selbst fest, sondern diese werden zentralseitig bearbeitet. Bei der Nachfrage nach Rabatt bekommt man bei allen Händlern zwei unterschiedliche Antworten. Es gibt entweder gar keinen Rabatt und der Wagen kostet 71.590 Euro. Oder der Wagen wird um maximal 300 bis 500 Euro reduziert. Es gibt keine Möglichkeit zur Verhandlung oder sonstigen Goodies. Der Preis ist fix. Immer mehr Niederlassungen binden deshalb interne Internet-Vertriebsteams zur Beratung am Telefon ein. Zum Verkäufer wird man gar nicht mehr durchgestellt.
Renditeerhöhung durch Restwertprognosen bei Gebrauchtwagen
Mit dieser Maßnahme legt der Hersteller bei einem Großteil der Gebrauchtwagen die Preise selbst fest. Und auch Mercedes Händler halten sich an die Preismanagement-Regelung. Nur freie Händler haben noch einen begrenzten Spielraum, kommen jedoch anscheinend so gut wie nicht an die Autos. Oder eben zu höheren Einkaufspreisen.
Da immer mehr Autos geleast werden, kann durch diese Maßnahme der Hersteller praktisch den Gebrauchtwagenmarkt für Autos bis 24 Monate regeln. Er kann die Preise erhöhen oder senken. Denn wenn von 111 Mercedes C 43 Cabrios mit einem Alter von maximal 15 Monaten (davor gab es den Wagen nicht) nur ein Auto privat angeboten wird, kann er großen Einfluss auf die Preise nehmen. Nach oben oder unten. Wenn sich diese Art des Gebrauchtwagen Kaufs durchsetzt, stellt sich die Frage, warum man die Autos überhaupt noch in Niederlassungen und zu Vertragspartnern liefert. Wenn dem Kunden das Auto mit Fotos und Gutachter-Zustandsbericht online präsentiert wird, dann kann er vom Prinzip auch gleich im Online Shop einkaufen. Diesen bietet Mercedes übrigens für viele Gebrauchtwagen auch schon bereits an. Mit 10-tägigem Umtauschrecht, (kein Rückgaberecht) ohne Angabe von Gründen, ab Zeitpunkt der Kaufvertrag-Unterzeichnung. Verbunden jedoch mit Kosten für den Käufer wenn der Wagen zugelassen wurde.
Setzten sich elektronische Preisschilder im Autohaus durch?
Ob sich fehlende Gefühle, Emotionen und Preisverhandlungen auf den Gebrauchtwagenhandel übertragen lassen, wird sich zeigen. Auch ob es eine gute Idee ist, große Teile des Gebrauchtwagen-Marktes für sehr junge Fahrzeuge selbst zu regeln. Aber auch andere Hersteller haben diesen Schritt bereits umgesetzt. Mercedes ist nur ein Beispiel von mehreren. Ein weiterer Schritt der vermutlich folgen wird, sind die elektronischen Preisschilder am Auto. DiCoSo bietet diese bereits für Mercedes an. Anhand von Restwertprognosen wird der aktuelle Marktwert berechnet und per Mausklick lassen sich die Preisänderungsprozesse im Internet und am Auto durchführen. Preisänderungen in Sekunden bei vollständiger Integration in das Dealer Management System. Was bedeutet, der Wagen kann auch jede Stunde einen anderen Preis haben. Wie beurteilen Sie diese interessante Vermarktung?
Die Gebrauchtwagenpreise steigen, die Standzeit auch
Mobile.de berichtete im Mai 2018, dass die Gebrauchtwagenpreise steigen. Wurden 2015 noch 19.500 im Durchschnitt für einen Gebrauchtwagen bezahlt, waren es 2016 schon 21.000 Euro, 2017 dann 22.000 Euro und 2018 knapp 22.900 Euro. Autos der Oberklasse stehen nun 113 Tage im Schnitt am Hof des Händlers. Im Jahr 2017 waren es noch 98 Tage. Über alle Klassen hinweg stieg der Schnitt um 14,9 Prozent auf 100 Tage Standzeit. Nur Kleinwagen verkaufen sich bereits nach 90 Tagen. Preistreiber sind übrigens Kleinstwagen.
Was aus dem Kauf wurde? Ich habe mir ein Ford Mustang Cabrio gekauft und die AHK für den Radträger günstig in Regensburg montieren lassen. Bei einer Zuglast von 400 Kilo kann man nun ohne Probleme 3-4 Fahrräder auf der Anhängerkupplung transportieren.
Gastbeitrag von Roger Taiber. Sein unabhängiger Meinungsjournalismus bezieht Stellung und beschreibt aus seiner Sicht. Wir danken!